Istanbul, 2015
Mit Herz und Hüfte
Die türkische Sprache enthält unterschiedliche Wörter für „Liebe“, die sogar Teil des Alltagsgebrauches sind. Mich persönlich faszinieren die dazugehörigen inhaltlichen Nuancen und der Klang ihrer Worte. Kaum ein türkisches Lied scheint ohne diese Lieben auszukommen. Ob alleine oder gemeinsam, auf den Straßen oder im Club: Textsicher und aus voller Inbrunst singen die Menschen ihre Liebes-Hymnen. Fast wie auf einem Helene-Fischer-Konzert, nur mit ein bisschen mehr Schwung aus der Hüfte.
Auch alltägliche Umgangsformen wirken bezeichnend für die Bedeutung der Liebe innerhalb einer Gruppe. Liebkosungen unter Freunden und Familienmitgliedern, gegenüber der Bedienung oder dem Gemüsehändler sind sehr geläufig: Mein Leben, meine Seele, meine Tochter, Bruder oder Onkelchen. Man muss sich vorher nicht begegnet sein, um einen liebevollen Umgangston miteinander zu teilen.
Von Liebe ist jedoch gerade immer weniger zu spüren und deshalb ist sie besonders gefordert. Die Liebesloblieder müssen lauter werden, ja fast penetrant. Denn schon eine ganze Weile ist das hier leider kein Helene-Fischer-Konzert mehr.